„Wir sind ein bisschen wie eine Familie“ – Bericht über „Die Oltmanns“

In der Herbstausgabe des Stadtmissions-Magazins vonWegen (Heft 3-24) schenken zwei Mitarbeitende der „Oltmanns“ tiefe und offene Einblicke in die Arbeit der „Oltmanns“ und vor allem in das Erleben von Miteinander und Gemeinschaft. Hier finden Sie den Beitrag, der aus einem Gespräch mit zwei Mitarbeitenden der „Oltmanns“ hervorgegangen ist:

„Wir sind ein bisschen wie eine Familie“

Wer als Kundin oder Kunde mit den „Oltmanns“ zu tun hat, mag zunächst glauben, es handle sich um ein gewöhnliches Unternehmen, das sein Kerngeschäft vor allem in Umzügen und Wohnungsauflösungen hat. Wer genauer hinschaut, merkt: „Die Oltmanns“ sind weit mehr als das. Nicht nur hat sich das Angebot an Dienstleistungen mittlerweile deutlich verbreitert, sondern vor allem sind die „Oltmanns“ Teil der Evangelischen Stadtmission Freiburg e.V. Im Arbeitsfeld unserer Sozialen Dienste verortet, geben die „Oltmanns“ Menschen eine Aufgabe und Perspektive. „Die Oltmanns“ unterstützen Menschen, für die das Leben nicht eben geradlinig verlief und die sich deswegen auf die eine oder andere Weise nicht in der Mitte der (Erwerbs-) Gesellschaft wiederfinden – insbesondere Langzeitarbeitslose und solche, die bei den „Oltmanns“ Sozialstunden leisten. Wir haben zwei Mitarbeitende gefragt, was die „Oltmanns“ ausmacht und vor allem, was die Arbeit und das Team für die Menschen bedeuten, die dort zusammentreffen.

Milena Filipovic kam im Sommer 2021 über eine Förderungsmaßnahme zur Teilhabe am Arbeitsmarkt zu den „Oltmanns“ und ist seit November 2021 fest angestellt. „Ich bin sehr froh, dass ich da bin. Für mich ist das ein Glücksgriff“, sagt sie. „Ich habe ein Kind mit Behinderung. Es ist generell schwierig als alleinerziehende Mutter, Arbeit zu finden, noch schwieriger als Mutter eines schwerbehinderten Kindes. Oft hat sich die Frage gestellt, was überhaupt möglich ist, da ich keine abgeschlossene Ausbildung habe. Hier klappt es richtig gut und macht Spaß.“ Milena Filipovic liebt ihre Arbeit. Wenn sie darüber berichten, leuchten die Augen. Sie hat ein breites Aufgabenspektrum: „Ich mache Sekretariat, Verwaltung, Büroaufgaben, Telefon, Disposition, Wohnungsbesichtigungen und alles um den Kunden.“

Auch Stefan Stadler ist glücklich über seine Arbeit bei den „Oltmanns“. Stadler ist ein „Bücherwurm“ und deswegen genau an der richtigen Stelle. „Bücher sind meine große Leidenschaft. Hobby ist fast zu wenig gesagt. Meine Wohnung ist eigentlich eine Bibliothek, bis unter die Decke voll mit Büchern.“ Zunächst ab 2021 bis zur Schließung des S’Antiqua und des Café Satz im Frühjahr 2024 in der Guntramstraße tätig, ist er nun auf dem Hof der „Oltmanns“ vor allem für Bücher und Medien zuständig, die aus den Wohnungsauflösungen dort ankommen. Er sortiert Wertvolles aus, verkauft hochwertige Bücher auf Flohmärkten und macht den Buchversand fürs S’Einlädele. Stadler hat einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund; krankheitsbedingt wurde sein Leben aus der Bahn geworfen. „Man muss sich die Situation vor meiner Tätigkeit bei den „Oltmanns“ und jetzt anschauen. Für mich war es wirklich der letzte notwendige Schritt wieder zurück ins Leben, nachdem ich lange Jahre komplett aus dem Leben draußen war. Das war für mich ganz entscheidend.“ Und er hat ganz neue Seiten an sich selbst kennengelernt: „Im Café Satz war ich nah bei den Menschen und habe täglich viele Gespräche geführt. Und obwohl ich Stotterer bin, fiel mir das leicht. Eigentlich bin ich gerne im nahen Kontakt mit Menschen. Das hätte ich selbst gar nicht gedacht. Im Café Satz hat es sich für mich, nachdem es jahrelang das genaue Gegenteil war, so entwickelt, dass ich gerne im Fokus von täglich rund 200 Menschen stand.“

Rund 25 Mitarbeitende treffen bei den „Oltmanns“ zusammen. Einige davon sind schon längere Zeit dabei, andere absolvieren dort z.B. Sozialstunden. „Da sind welche dabei mit 40 Arbeitsstunden, andere mit 400 oder 800. Man muss die Leute schon gut im Blick behalten und einbinden. Wer 800 Arbeitsstunden hat, der hat auf jeden Fall einiges ausgefressen. Da muss man dann schon etwas mehr schauen, ob sie vielleicht etwas Anstoß brauchen“, macht Milena Filipovic deutlich. Da ist nicht jede/r gleich stark motiviert. Ist das herausfordernd für das Team? „Wir hatten da schon ein sehr breites Spektrum“, sagt Stadler. „Man versucht eben, die Leute zu beschäftigen und da sieht man ziemlich schnell, wer mehr oder weniger will. Es ist ja so: Der Großteil der Leute wäre nicht hier, wenn das Leben so verlaufen wäre, wie man das als ‚normales‘ Leben bezeichnet.“ Gleichzeitig führt das bei vielen zu großer Dankbarkeit, unterstreicht Milena Filipovic: „Viele sind einfach froh, dass sie hier sein dürfen. Manche erweisen sich auch als Glücksgriff. Da haben wir erst kürzlich jemanden eingestellt – ein echtes Multitalent, der jetzt auch öfters bei Endreinigungen dabei war. Viele, denen das Leben irgendwie übel mitgespielt hat, blühen hier auf und man merkt, wie gut das ihnen tut, unter Menschen zu sein und eine Aufgabe zu haben.“

„Jeder von uns hat irgendwo sein Paket zu tragen“, weiß Milena Filipovic. Das stärkt auch gleichzeitig den Zusammenhalt. „Manchmal sagen wir, wir sind ein bisschen wie eine Familie.“ Und wie in einer Familie bringt sich jeder mit dem ein, was er kann. „Schlussendlich trägt jeder mit seiner Arbeitskraft, wie groß oder klein sie sein mag, zum Gelingen des Ganzen bei“, sagt Stefan Stadler. In ein Team eingebunden zu sein und gebraucht zu werden, ist eine wichtige Erfahrung für viele. „Sie fühlen sich gestärkt und motiviert. Und das kann man, wenn man nicht mehr bei den „Oltmanns“ dabei ist, trotzdem beibehalten. Was man hier gelernt hat, kann man mitnehmen.“ Da ist sich Milena Filipovic sicher.